Schalke 04 verstärkt sich in der Winterpause mit einem Leihgeschäft von Innenverteidiger Holger Badstuber vom FC Bayern München. Der 27-jährige hat bekanntermaßen eine beispiellose Verletzungsserie hinter sich, auf Schalke will er die nötige Spielpraxis sammeln um wieder ganz oben angreifen zu können.
Kann Schalke Badstuber dabei helfen? Und die wohl wichtigere Frage aus Sicht eines S04-Fans: Kann Badstuber Schalke helfen?
Der Reihe nach. Als Holger Badstuber Ende 2009 unter Louis van Gaal von den Amateuren zu den Profis des FCB aufgestiegen ist, wurde er von den ersten Beobachtern schon als der neue Gerard Piqué gefeiert. Eine unglaublich präzise Spieleröffnung, extreme Sprungkraft und ein gutes Gespür für den perfekten Zweikampf. Er machte in der Saison 2009/2010 für sein Alter beachtliche 49 Pflichtspiele und war maßgeblich am Erreichen des Champions League-Endspiels beteiligt. Für Louis van Gaal wurde Badstuber in dieser Saison absolut unverzichtbar. Er verdiente sich durch seine Leistungen gleichzeitig die Nominierung für die WM 2010 in Südafrika. Dort kam er zwar nicht über zwei Vorrundenspiele hinaus, für sein Alter war es aber ein beachtlicher Erfolg.
Die ersten weniger dramatischen Verletzungssorgen plagten ihn in der Saison 10/11, wo er trotzdem noch auf 32 Pflichtspiele kam. In der darauffolgenden Spielzeit bestritt Badstuber sogar insgesamt 50 Pflichtspiele. Zu der Zeit hat er sich international bereits einen beachtlichen Namen gemacht und spielte bei der Europameisterschaft 2012 bis zum Ausscheiden jedes Spiel durch. Was an diesen Zahlen auffällt: Badstuber muss niemandem mehr beweisen, was in ihm steckt. Vor seiner Pechsträhne galt er als einer der besten Innenverteidiger der Welt.
Dann kam der 1. Dezember 2012. Beim Bundesligaspiel gegen Borussia Dortmund verletzte sich Badstuber schwer; ein Kreuzbandriss zwang ihn zu einer monatelangen Pause. Während seiner langwierigen Reha reißte das Kreuzband im Mai 2013 erneut, Badstuber konnte fast zwei Jahre nicht spielen. Die Weltmeisterschaft 2014 war unerreichbar.
Die Pechsträhne hörte nicht auf. Sehnenrisse, Muskelrisse und zuletzte Knochenbrüche warfen Badstuber immer wieder zurück. Die EM 2016 war kein Thema. Unter Carlo Ancelotti hat Badstuber in der aktuellen Spielzeit nur drei Pflichtspiele bestritten. Ein Wechsel war für den 27-jährigen die logische Konsequenz.
Badstuber ist gelernter Innenverteidiger. Mit Jerome Boateng und Mats Hummels als Konkurrenz, die nicht nur auf Weltklasseniveau aktiv sondern auch körperlich absolut fit sind, ist es keine große Überraschung, dass Badstuber zunächst kein Land sehen würde. Trotz seiner Qualitäten konnte er diesen Konkurrenzkampf nicht gewinnen. Der Rückstand ist zu groß. Ein Wechsel innerhalb der Bundesliga kam da gerade richtig. Eine große Gewöhnungszeit wird er auf Schalke nicht brauchen, er kennt sich in der Bundesliga bestens aus. Mit der Leihe nach Gelsenkirchen geht Badstuber kein Risiko ein.
Aus Schalker Sicht sieht das schon etwas anders aus. Die Skepsis vieler Beobachter ist angebracht: Wie kann ein Spieler verpflichtet und seriös beurteilt werden, der in dieser Spielzeit kaum auf dem Platz stand? Badstuber wird sich mit seiner Reservistenrolle wohl kaum zufrieden geben. Und obwohl die Konkurrenzsituation auf Schalke nicht ganz so dramatisch ist wie in München: An Naldo, Matija Nastasic und Benedikt Höwedes muss Badstuber auch erstmal vorbeikommen. Das weiß auch Christian Heidel. Er betont, mit dem Transfer kein Risiko eingegangen zu sein. Das mag aus finanzieller Sicht zutreffen, astronomische Gehälter gehören auf Schalke zumindest bei Neuverpflichtungen der Vergangenheit an. Eine fehlende Beurteilung der Hinrunde lässt trotzdem einige Fragen offen. Klar ist aber auch: Christian Heidel denkt langfristig. Benedikt Höwedes ist aktuell verletzt, es kommen mindestens drei englische Wochen auf die Königsblauen zu, das 3-5-2 von Markus Weinzierl ist für jeden Innenverteidiger laufintensiv. Badstuber wird sich seinen Platz erkämpfen müssen, die Möglichkeit zu spielen und sich zu beweisen wird er bekommen. Wie es um seine aktuelle körperliche Verfassung steht bleibt trotzdem relativ unklar. In den Medien wird immer wieder vom „Hammer-Transfer der Winterpause“ gesprochen. Fakt ist: 2012 wäre es einer gewesen.
Holger Badstuber hat keinen instabilen Körper. Ein Kreuzbandriss oder Knöchelbrüche sind nicht die Konsequenz von fehlender Fitness oder falschem Training. Er blieb im Rasen hängen, bekam Blutgrätschen zu spüren oder verhakte sich unglücklich. Er hatte schlicht unglaubliches Pech, wie es in der aktuellen Spielergeneration wohl selten der Fall war. Und die Chance, sich bei einem etablierten Bundesligisten beweisen zu können, hat er sich durch seine zahlreichen Comebacks verdient. Kämpfer werden auf Schalke gerne gesehen, das weiß Badstuber. Es war vermutlich auch ein Grund, diesen Schritt zu gehen. Den Skeptikern eines durchaus umstrittenen Leihgeschäfts wird er es zeigen müssen. Kampflos wird er seine Ergänzungsrolle – die er ohne Zweifel erstmal einnimmt – nicht hinnehmen.
Das Restrisiko bleibt bestehen. Aus sportlicher Sicht, wohlgemerkt. Trotzdem: Wenn Holger Badstuber in Fahrt kommt, und ihn seine Verletzungssorgen endlich mal verlassen sollten, dann wird Badstuber dem Verein helfen können. So wie Schalke 04 Badstuber helfen wird.
Bis dahin ist es ein langer Weg.
Willkommen auf Schalke, Holger Badstuber!